Mittwoch, 16. März 2011

80) Straßenbahn in Mühlhausen

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Heute möchte Smiley mal wieder einen Blick auf die mühlhäuser Verkehrsgeschichte werfen ... und zwar auf die Straßenbahn in Mühlhausen.




Mit dem Anschluß an die Eisenbahn Gotha - Leinefelde im Jahre 1870 begann auch für Mühlhausen eine neue Ära.

Die ehemalige Freie Reichsstadt hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts von der kleinen Ackerbürgerstadt zur aufblühenden kleinen Industriestadt entwickelt.Von 1850 bis 1900 hatte sich die Zahl der Einwohner fast verdreifacht.
Es entstanden zahlreiche neue Betriebe und die Vorstädte wuchsen über ihre bisherigen Begrenzungen hinaus.


In den siebziger Jahren entstanden in verschiedenen Großstädten die ersten Pferdestraßenbahnen und in den achtziger und neunziger Jahren die ersten elektrischen Straßenbahnen.
Bereits 1892 gab es auch in Mühlhausen erste Vorstellungen zum Bau einer Straßenbahn von der Wanfrieder Straße bis zum Weißen Haus am Stadtwald.


 

1897 erhielt die Elektrizitäts-AG Nürnberg den Auftrag, in Mühlhausen ein Elektrizitätswerk und eine Straßenbahn zu bauen.
Mitte 1898 begannen die Arbeiten an den Gleisen und der Oberleitung, wobei gleichzeitig die betreffenden Straßen erneuert wurden.
Vorgesehen war eine Linie durch die Unterstadt, die bis zum Weißen Haus führen sollte und ein Oberstadtlinie, die an der Aue mit der Unterstadtlinie zusammentraf.





Im September 1898 nahm das E-Werk am Bastmarkt seinen Betrieb auf und nachdem die ersten Motorwagen eingetroffen waren, nahm die mühlhäuser Straßenbahn am 12.Dezember 1998 den Fahrbetrieb vom Bahnhof bis nach Popperode durch die Unterstadt auf.




Das Straßenbahndepot befand sich damals im E-Werk am Bastmarkt, zu dem eine Abzweigstrecke von der Haltestelle Bastmarkt/Wanfrieder Straße her führte.
Am 24. Januar 1899 wurde dann auch die Außenstrecke bis zum Weißen Haus eröffnet.
Jetzt konnte man vom Bahnhof bis zum Stadtwald fahren. Die "Stadtfahrt" vom Bahnhof bis zum Bastmarkt kostete 10 Pfennig, wer weiter fuhr, zahlte einen Zuschlag. Später galt dann die Stadtfahrt bis zur Aue.


 
Hier eine Straßenbahn vor dem Bahnhof um 1900. Das Bahnhofsgebäude hatte damals noch den ursprünglichen Eingang, der dann 1911 erweitert wurde.
Anfangs gab es noch keine festen Haltestellen. Die Straßenbahn hielt dann auch mal, wenn jemand an der Straße stand oder wenn man aussteigen wollte.





Im neuen Bahnhofsviertel entstanden neben mehreren Fabriken auch zahlreiche repräsentative Wohnhäuser.
Hier die damalige Augustastraße mit der Straßenbahn der Unterstadtlinie.

Hier entstanden dann auch schon die ersten Haltestellen.
So bei der Gaststätte "Reichshof" und nördlich der Martinikirche, wo sich ein Ausweichgleis befand.




Von der Martinivorstadt führte die Straßenbahn dann bei früheren Erfurter Tor in die Innenstadt und durch die Erfurter Straße zum Untermarkt.
Auch hier gab es dann in der Nähe der Kilianistraße wieder eine Haltestelle.
Das Gleis verlief hier in derMitte der neu gepflasterten Straße. Der breite Straßenbach, der vom Untermarkt zur Kilianistraße führte, hatte schon vorher der unterirdischen Kanalisation Platz gemacht.










Anfangs befand sich die Haltestelle am Untermarkt vor dem Gasthaus zum Kronprinz, dem heutigen Gerichtsgebäude.
Später wurde die Ausweichhaltestelle erst nördlich und dann östlich der Untermarktskirche angelegt.

Auf dem Bild ist der einarmige Stromabnehmer deutlich zu sehen, der bis in die vierziger Jahre verwendet wurde. Er mußte je nach Fahrtrichtung manuell umgelegt werden und die Abnahmerolle sprang auch schon mal von der Oberleitung ab, so daß die "Elektrische" ohne Strom war.



Obwohl hier die Straßenbahn alle zehn Minuten entlang kam, war um 1900 beim Wochenmarkt auf dem Untermarkt auch auf der Straße noch lebhafter Betrieb.

Na ja.., Automobile gab es ja hier noch nicht .. und der Straßenbahnschaffner hatte ja seine "Bimmel" mit der er sich lautstark bemerkbar machen konnte.

Von hier ging es dann zur Haltestelle Bastmarkt weuter, deren Ausweichgleis sich südlich der Nikolaikirche in der Wanfrieder Straße befand.
Vorher gab es noch eine Haltestelle in der Felchtaer Straße in der Nähe des ehemaligen Felchtaer Tores.




 

Nach der Ausweichhaltestelle an der Aue führte die Außenstrecke durch die Kasseler Straße und dann über die Heyeröder Landstraße und entlang der Schwanenteich-Allee zum Schwanenteich.
Hier war die frühere Schneidemühle und die nachfolgende Textilfabrik längst verschwunden und mit dem neuen Schwanenteich-Restaurant war ein neuer Anziehungspunkt für die Stadt entstanden.






Schon in Popperode befand sich die nächste Ausweichhaltestelle.
Bis hier waren bereits mit der Eröffnung der Unterstadtlinie im Dezember 1898 die ersten Straßenbahnen gefahren.

Die Popperöder Quelle mit dem 1614 gebauten Brunnenhaus und dem schönen Gartenrestaurant, war nicht nur zu den jährlichen Brunnenfesten ein beliebtes Ausflugsziel der Mühlhäuser.





Als im Januar 1899 die Außenstrecke bis zum Weißen Haus in Betrieb genommen wurde, bekam der Mühlhäuser Stadtwald eine völlig neue Bedeutung für die Einwohner. Neben dem Weißen Haus und dem Peterhof entstanden bald weitere Gartenrestaurants, wie das Prinzenhaus, das Waldschlößchen und der Waldfrieden.





Am neu gestaltetem Bahnhofsplatz entstand dann Anfang des neuen Jahrhunderts auch die neue Haltestelle zur Oberstadtlinie, die 1901 fertiggestellt wurde.
Hier fuhr die Straßenbahn dann auch wie in der Unterstadt, alle 7 1/2 Minuten.





Bereits 1886 war die Stadtmauer am Kiliansgraben durchbrochen worden, um eine Verbindung von der Görmarstraße in Richtung Bahnhof zu schaffen..., die neue Friedrichstraße.

Bald entstand dann nach dem Bau der Unterstadtlinie der Gedanke, auch den attraktiven Steinweg mit einer Oberstadtlinie zu erreichen.




In der damaligen Friedrichstraße waren neben neuen Wohnhäusern, das Hotel "Hohenzollern", die katholische Kirche St. Joseph, das Verwaltungsgebäude der Firma Claes & Flentje und die neue Realschule entstanden.
Hier führte jetzt die neue Linie zur Oberstadt und an der Karlstraße, der Waidstraße und am Kiliansgraben lagen dann die ersten Haltestellen.





Von der Görmarstraße bei der "Grünen Linde" führte die Strecke dann über den Untersteinweg zur eigentlichen Oberstadt, nach der diese Linie auch benannt wurde.

Nach der ersten Haltestelle noch vor der Brückenstraße, ging es zur Ausweichhaltestelle am oberen Steinweg.
Auch hier war die Straße neu gestaltet worden und wie in der ganzen Innenstadt der Straßenbach verschwunden.




Nach der Eröffnung der Oberstadtlinie im April 1901 fuhr die Straßenbahn zuerst nur bis in die Herrenstraße an der Güldenen Ecke.

Anfangs sollte die Strecke die Stadtmauer an der Güldenen Ecke durchbrechen, aber dann wurde ein weiterer Torbogen neben dem Frauentor geschaffen, durch den ab 2. Oktober 1901 die Linie bis zur Aue weitergeführt werden konnte.

Dort traf die Oberstadt- mit der Unterstadtlinie zusammen und bald entstand ein Stadtring, auf dem die Bahnen in beide Richtungen fuhren.



Übrigens..., der Schwanenteich war erst nach dem Bau des gleichnamigen Restaurants 1896 so benannt worden. Der Besitzer hatte damals auf dem bisherigen Popperöder Unterteich einige Schwäne ausgesetzt, die jetzt den Teich besiedelten.

Am Ostufer des Teiches war bereits 1886 eine Badeanstalt entstanden, die später weiter ausgebaut wurde.






Als die Landesheilanstalt Pfafferode gebaut wurde, entstand 1911 an der Feldweiche zwischen Popperode und dem Prinzenhaus eine Abzweigstrecke nach dort.
Erst für den Transport von Baumaterial und Kohlen und ab 1913 auch für den Personenverkehr.

Trotz der billigen Preise - eine Fahrt vom Bahnhof zum Weißen Haus kostete 20 Pfennig - sparten sich doch noch viele das Fahrgeld und gingen die Strecke bei schönem Wetter zu Fuß.




Übrigens .., schönes Wetter...
Bei schlechtem Wetter und im Winter war der Dienst als Wagenführer nicht der angenehmste. Der Führerstand war ein offener Perron, auf dem der Fahrer bei jedem Wetter stand.
Da hatte es der Schaffner schon besser..., der konnte sich überwiegend im Wageninneren aufhalten.
Hier ein Motorwagen am Bahnhofsplatz um 1910.




Im 1.Weltkrieg (1914 -1918) wurden dann erstmals auch Frauen als Schaffnerinnen und als Wagenführer eingesetzt.

Die Männer kamen an die Front und viele nicht wieder zurück.
Ende des Krieges wurde wegen Kohlenmangel die Stromproduktion gedrosselt und der Straßenbahnverkehr teilweise eingestellt.






1912 war in der Nähe der Haltestelle Aue in der Kasseler Straße ein neues Straßenbahndepot eröffnet worden, das in den folgenden Jahren erweitert wurde und das Depot am Bastmarkt vollends ablöste.
Zu dem alten Depot am E-Werk war auch eine Abzweigung am Blobach entstanden, so daß auch hier die Oberstadt- mit der Unterstadtlinie verbunden war.

Ein angedachter kleiner Stadtring - Bahnhof - Oberstadt - Bastmarkt - Unterstadt - kam aber dann doch nicht zum tragen.


1919 ein Unfall bei Popperode.
Bei einem Triebwagen mit Anhänger versagten auf der Gefällstrecke vom Prinzenhaus die Bremsen und der gesamte Straßenbahnzug sprang im Gleisbogen bei Popperode aus den Schienen und stürzte um.

1919 war die Straßenbahn dann von der Stadt übernommen worden.
In den Folgejahren gab es aber ein stetes auf und ab für die mühlhäuser Straßenbahn und der Betrieb wurde mehrmals vorübergehend eingestellt.





 

1935 hatte sich die Wirtschaft wieder etwas erholt. Mühlhausen wurde wieder Garnisonsstadt, Es entstanden neue Kasernen und neue Rüstungsbetriebe.
Der Steinweg hieß jetzt Hindenburgstraße und überall sah man Uniformen.








Zum getarnt angelegten "Gerätebau" im Stadtwald, der Zünder für Flakgranaten herstellte, entstand eine neue Abzweigstrecke.
Diese Strecke war wahrscheinlich auch der Grund, daß der Straßenbahnverkehr in Mühlhausen bis Kriegsende aufrecht erhalten wurde.


 
Im April 1945 wurde die Stadt dann von amerikanischen Truppen besetzt und Anfang Juli zog hier die Rote Armee ein. Mühlhausen gehörte jetzt zur Sowjetischen Besatzungszone
Der Straßenbahnbetrieb wurde am 7. Juli 1945 wieder aufgenommen, denn sowohl Gleise und Oberleitungen, wie auch der Wagenpark hatte die Kriegsjahre - ebenso wie die Stadt - ziemlich unbeschädigt überstanden.
Zuerst wurde im 15-Minuten-Takt gefahren und erst 1951 gab es wieder den Siebeneinhalb-Minuten-Verkehr in der Ober- und Unterstadt.
 
 
 
 
 
 
 
Der Fahrpreis war bei 15 Pfennig für die Stadtstrecken (Bahnhof bis Aue) plus 15Pfennig für die Außenstrecke konstant geblieben, wobei die Außenstrecke jeweils ab Blobach oder Bastmarkt bis zum Weißen Haus gerechnet wurde.
So wurde oft auch ab Bastmarkt oder vom Blobach zum Wald gefahren, obwohl die Bahn hier schon ab Bahnhof mit Anhänger eingesetzt war, wie hier an der Haltestelle Untermarkt.




1949 war nicht nur die DDR, sondern auch im früheren Kaufhaus Eckmann, der erste Freie Laden - das HO-Kaufhaus - entstanden.
Die Strecke zum Bahnhof wurde damals noch reichlich genutzt, denn auch die Reichsbahn war immer noch ein beliebtes Verkehrsmittel.







Auch der Steinweg wandelte nach und nach sein Aussehen. Immer mehr HO- und Konsum-Verkaufsstellen beherrschten das Straßenbild. Aber auch die alten Geschäfte bestanden zum Teil noch, wenn jetzt auch als Kommissionshändler der HO.
Aber immer noch fuhr auch hier die Straßenbahn, die am unteren Steinweg "quitschvergnügt" um die Ecke fuhr.







Als 1967 das HO-Terrassencafé Schwanenteich mit über 700 Plätzen und einer modernen Selbstbedienungsreihe eröffnet wurde, hatte die Straßenbahn zum Schwanenteich oft Hochbetrieb.
In den fünfziger Jahren war nebenan das "Bad der sozialistischen Jugend" im NAW entstanden, so daß jetzt das Naherholngszentrum ein echter Anziehungspunkt war.




Übrigens..., seit den vierziger Jahren fuhr die Motorwagen jetzt mit den neuen Scherenstromabnehmern.
Damals war im Krieg bei einer Bahn die zur Nachtschicht im Gerätebau fuhr, der Stangenstromabnehmer von der Oberleitung gesprungen. Die Bahnen fuhren damals ohne Licht und so fuhr eine nachfolgende Bahn auf, wobei es erheblichen Schaden gab.
In den sechziger Jahren wurden dann alle Motorwagen auf Zahlbox umgestellt, um die Schaffner einzusparen. Im Anhänger blieb aber der kassierende Schaffner bzw. die Schaffnerin noch erhalten.





1968 dann das Ende der Oberstadtlinie.
Am 5. Juli 1968 fuhr die letzte offizielle Straßenbahn über den Steinweg und bald danach wurde der obere Steinweg zum "Boulevard" umgestaltet.
Eine Oberstadt-Omnibus-Linie wurde eingerichtet, die vom Bahnhof um die Stadtmauer herum zum Blobach und zur Aue führte.






1969 kam dann auch das Ende der Unterstadtlinie.
Mit den Neubau des HO-Hotel "Stadt Mühlhausen" wurde auch der damalige Wilhelm-Pieck-Platz umgestaltet und am 26. Juni 1969 fuhr hier die letzte Straßembahn.







 
70 Jahre mühlhäuser Straßenbahn waren zu Ende gegangen. Jetzt übernahmen die Ombninusse des VEB Kraftverkehr den Stadtverkehr endgültig, nachdem es vorher schon die verschiedenen Buslinien in die Außenbezirke. wie nach Ammern, Görmar und Felchta gab.
Auch das Weiße Haus blieb weiter Endpunkt der früheren Außenstrecke ....
.. aber die Fahrten mit der alten Straßenbahn blieben noch lange in der Erinnerung erhalten ..




Auch im Busverkehr gab es dann immer wieder mal Veränderungen, besonders in der Führung der Unterstadtlinie und am Bus-Bahnhof, der erst an der Burg lag und nach der Wende an den Bahnhof verlegt wurde.
Auch die Fahrpreise hatten sich mit dem Busbetrieb erst nicht wesentlich verteuert .. Richtig zur Sache gin es dann erst nach der Wende .. und heute kostet eine Fahrt im Stadtverkehr bereits 1,40 € ...





Nun meint ja auch Smiley, daß der Fortschritt nicht aufzuhalten ist ..
.. aber die Zeiten, wo man für 15 Pfennig ans Weiße Haus fahren konnte, waren eigentlich auch ganz schön ..
(.. na ja .. und so´n bißchen Nostalgie muß ja auch erlaubt sein ..)
P.S.: Nostalgie .... nicht Ostalgie ... ;-)))

3 Kommentare:

  1. Hallo, auf dem Bild 01- Blobach-1890 stimmt was nicht mit der Marienkirche. Die sieht ganz anders aus als in echt.

    Mit freundlichen Grüßen
    F. Schröter

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    1. Hallo.., so sah die Marienkirche um 1890 eben aus.., ab 1893 erfolgte dann der Neubau des Mittelturmes in der heutigen Form und der Südturm erhielt seine frühere Gestalt wieder, die Gesamtrekonstruktion der Marienkirche in der heutigen Form wurde dann 1903 abgeschlossen..
      GK

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    2. Da hab ich doch wieder was dazu gelernt. Danke für die Info und vor allem für die schönen Bilder meiner Heimatstadt.

      F.Schröter

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